Krise, welche Krise?

Verehrtes Publikum,
zum siebten Mal versammeln wir Alleinerziehende uns heute, am 25.04.2020, um 17.00 – 20.00 Uhr, hier in Berlin, an der Weltzeituhr, unter dem Motto: „Wir feiern uns selbst, weil uns niemand feiert!“
Sehr verehrte Damen und Herren, hätten Sie gedacht, dass Alleinerziehende stets in einer Krise stecken, die andere momentan ähnlich vorübergehend auch zu spüren bekommen? Bei den anderen ist es die kurzfristig durch die Coranakrise erzeugte Kurzarbeit, kurzzeitige Verluste im Einkommen und evtl., wenn vorhanden, zeitnah unbetreute Kinder. Wohingegen es bei Alleinerziehenden die „normale“ ständige Überlebenskrise ist. Bei den einen bedeutet es die Einsamkeit für ein paar Wochen. Für Alleinerziehende ist es die Einsamkeit für mehrere Jahre, manchmal für den Rest des Lebens. Ja, Alleinerziehen macht einsam! Die Zeit, die einem zwischen Erziehung der Kinder, Haushalt, Arbeit und Einkauf bleibt, ist nämlich gleich Null. Wann bitte, soll da ein Alleinerziehender auch noch Beziehungen und Freundschaften pflegen? Zumal oft das Geld für Vergnügen, wie Theater, Kino, Kabarett, Essen- oder Tanzengehen nicht vorhanden ist und es überhaupt vorne und hinten nicht reicht. All diese Orte, wo man normaler Weise Menschen treffen könnte, bleiben einem Alleinerziehendem ohnehin meistens verwehrt, weil er es sich oft monetär und zeitlich (timetär) gar nicht leisten kann. Und wer betreut dann abends eigentlich seine Kinder, wenn man das Geld für ein Vergnügen hätte und der andere Elternteil entweder gar nicht existiert oder kein Interesse an den eigenen Kindern hat? Ein Alleinerziehender ist schon deswegen krisenvertraut und hat sowieso von dieser Art Zuspitzungen, wie die, der derzeitigen Coranakrise, allein eine nach der anderen zu bewältigen. Ihn fragt niemand, wie er damit klarkommt. An denen muss er stets wachsen und zusehends wird er an ihnen immer mehr ausbrennen. Trotzdem muss er sie aber meistern. Denn die Gesellschaft schmäht Alleinerziehende, stellt übergroße Ansprüche an sie und lässt sie völlig im Stich, anstatt sie ob ihrer Kraft zu bewundern und zu wertschätzen. Deshalb haben wir bereits im vergangenen Jahr den „Internationalen Tag Alleinerziehender“ am 28.September ausgerufen, denn den gab es bisher nur in einigen Staaten national und kein Staat der Welt feiert ihn tatsächlich. Aber wir! Wir stehen hier für A L L E Alleinerziehenden weltweit und stecken den Finger in die entzündete, eitrige, stinkende Wunde, die vor ein paar tausend Jahren, vor allem die verschiedensten männlichen Religionen in die Familien und in die Beziehungen zwischen Eltern und Kind beförderten. Und jetzt mit Corana, kann man als Alleinerziehender einfach nur staunen, dass es durch eine neuartige Erkrankung plötzlich vielen anderen schlecht geht, obwohl die immer noch ein Dach über dem Kopf, einen vollen Kühlschrank und ein volles Getränkelager haben. Und nun? Der Besitz von Toilettenpapier ist wohl kaum ein Hinweis auf ein krisensicheres Leben, oder? Nun möchte man sagen, wir müssen wieder mehr Miteinander und Konsens wagen! Wir kampferprobten Alleinerziehenden wünschen euch Glück !!! Jetzt geht’s los! „Wir feiern uns selbst, weil uns niemand feiert !!! Danke für die Aufmerksamkeit. Diskussionen sind übrigens erwünscht!!!
V. i. S. d. P.: IT_AE und IDoSP by Wendula Strube – Berlin